Innovative Unternehmen gehen besser mit Fehlern um. Während die meisten Unternehmen versuchen, Fehler um jeden Preis zu vermeiden, lassen sie Fehler zu. Manchmal sogar mit Absicht. So sammeln sie Erfahrungen. Und erschaffen Neues. Denn wer innovativ sein möchte, braucht eine positive Fehlerkultur.

„Fehler vermeidet man, indem man Erfahrung sammelt. Erfahrung sammelt man, indem man Fehler macht.“  Laurence Johnston Peter, amerikanischer Managementberater

Gelähmt vor Angst

Fehler haben einen denkbar schlechten Ruf. Verständlich, denn Fehler kosten Geld, Zeit und Nerven. Und, wenn es zu viele Fehler werden, kosten sie den guten Ruf und damit all zu oft die Existenz. Die meisten Unternehmen haben daher eine besondere Art entwickelt, mit Fehlern umzugehen: Sie versuchen, sie zu vermeiden. Häufig um jeden Preis. Dafür greifen sie auf verschiedene Verfahren der Fehlervermeidung zurück. Dazu zählen Technologien zur Früherkennung potenzieller Fehlerquellen ebenso wie bewusste Management-Techniken zur Optimierung unsicherer Entscheidungen und eher unbewusste individuellen Techniken der Fehlervermeidung. Uns interessieren hier vor allem die persönlichen Vermeidungsstrategien, ihre Motive und Folgen – gerade weil sie meist unter der Oberfläche und daher unartikuliert bleiben.

Wer in Unternehmen die Verantwortung für weitreichende Entscheidungen – seien sie strategischer, prozessualer oder operativer Natur – trägt, kennt die Gedankenkaskade der Fehlervermeidung nur zu gut. Wo sind Fehlerquellen? Wie hoch ist das Risiko einer Fehlentscheidung? Welche Konsequenzen hätte die mögliche Fehlentscheidung? Die letzte Frage ist kritisch, geht es dabei doch um die Möglichkeit, Fehler zurechenbar zu machen. Personen sind verantwortlich, sie tragen die Verantwortung für ihre Fehler – und zwar im wörtlichen Sinne. Damit wird die Fehlervermeidung zu einer persönlichen Angelegenheit. Der Projektabschluss, der nächste Karriereschritt, letztlich der Job, all das steht auf dem Spiel. Mal mehr, mal weniger. Wenn man sich dessen bewusst wird, versteht, warum viele Unternehmen gerade unter wachsendem Veränderungsdruck so agieren, wie sie agieren: zögerlich, uninspiriert und unentschlossen. Sie sind gelähmt vor Angst. Die Person, und mit ihr das Unternehmen.

Vom Fehlerkult zur Fehlerkultur

Konsequente Vermeidung von Fehlern bedeutet, sämtliche Bedingungen, Umstände und Konsequenzen einer Entscheidung genau zu kennen um sichere Grundlagen für die Entscheidung zu schaffen. Wer versucht Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unter einen Hut zu bringen, bekommt es jedoch mit mindestens einer unbekannten Variabel zu tun. Man braucht nicht zu betonen, dass dieses Vorhaben illusorisch ist. Und kaum ein Unternehmen gibt sich noch ernsthaft dieser Illusion hin. Trotzdem arbeiten die Mechanismen der Fehlervermeidung ungeachtet dessen weiter. Wie effizient sie ihren Dienst verrichten wird spätestens dann klar, wenn der Vorstand seine Manager dazu auffordert, innovativer zu sein, visionärer zu denken und doch bitte etwas mehr Mut und Entschlossenheit zu zeigen. Eine Forderung, die übrigens immer häufiger gestellt wird. Der Effekt ist zumeist eine rege Betriebsamkeit, in der Projekte angestoßen, Meetings abgehalten und Workshops veranstaltet werden. Natürlich alles im Rahmen strikter Fehlervermeidung. Innovativer Output? Fehlanzeige.

Es gibt Unternehmen, in denen herrscht ein regelrechter Fehlerkult. Häufig sind diese Unternehmen extrem gut in dem, was sie machen. Nicht selten zählen sie zu den Besten ihrer Branche. Ihre Prozesse sind optimal durchstrukturiert, die Produktqualität liegt auf gleichbleibend hohem Niveau, der Ausschuss und die damit einhergehenden Kosten gehen gegen Null. Wir finden fehlerresistente Unternehmen auch fernab der Produktion, etwa bei Agenturen oder Beratungshäusern. Ihre Gemeinsamkeit besteht in ihrer operativen Stärke, darin, über (weitgehend) fehlerfreie Verfahren und Routinen zu verfügen. Diese Stärke hat ihren Preis. Ein Manko fehlerresistenter Unternehmen ist es, auch dann keine Fehler zulassen zu können, wenn dies gewollt, notwendig oder sogar unvermeidlich ist. Etwa, wenn es um Innovation geht. Wer erfolgreiche Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsfelder entwickeln will, muss Fehler machen dürfen (und können). Und wer dauerhaft innovationsfähig sein möchte, braucht einen sehr bewussten Umgang mit Fehlern – eine positive Fehlerkultur.

Positive Fehlerkultur und Innovationsfähigkeit

Wer das Dilemma angehen möchte, muss zunächst die Angstlähmung überwinden. In einem Umfeld, das Fehler tabuisiert oder sogar sanktioniert, wird niemand freiwillig eigene Fehler zugeben sondern versuchen, diese unter den sprichwörtlichen Teppich zu kehren. Statt also aus Fehlern zu lernen werden sie ignoriert und bei nächster Gelegenheit reproduziert. Lernen und Erfahrungen sammeln wird so konsequent verhindert. Das Totschweigen von Fehlern ist ein echter Innovationskiller. Genau das gilt es, zu verhindern. Der erste Schritt in Richtung einer positiven Fehlerkultur ist das schlichte Zugeständnis, dass Fehler vorkommen. Das klingt banal, doch ganz so banal es nicht. Da der Fehler, eine Regelabweichung darstellt, die eigentlich gar nicht vorkommen dürfte, existieren keine (oder nur unzureichende) Erfahrungen, wie mit Fehlern umgegangen wird. Feedback geben, Kritik üben und Kritik annehmen können, all das gehört zu einem produktiven Umgang mit Fehlern. Nicht zuletzt braucht es Vorgesetzte, die als Vorbilder fungieren, sich und anderen Fehler eingestehen. Wenn wir also eine positive Fehlerkultur fordern, dann geht es tatsächlich um Kultur. Es geht keineswegs darum, seine operative Stärke über Board zu werfen. Im Gegenteil, nur wer fehlbar ist, entwickelt sich weiter und kann seine hohen Standards halten.

Was für Unternehmen allgemein gilt, gilt besonders für Innovationsteams. Erfolgreiche Innovatoren motivieren ihre Teams geradezu, Dinge auszuprobieren und dabei Fehler zu machen, weil sie wissen, Lösungen entstehen nur dort, wo Fehler gemacht werden. Sie nutzen den Umstand, dass Fehler Leerstellen hinterlassen, die gezielt mit Lösungen besetzt werden können. Egal, ob Ideation, Business Model Generation oder Szenario-Technik, bei all diesen Ansätzen geht es darum, Ideen und Annahmen zu entwickeln, zu verfolgen und wieder zu verwerfen. Anders als klassische Managementtools, die in der Regel auf strikte Fehlervermeidung ausgerichtet sind und darum Unsicherheiten meiden, knüpfen sich gute Innovationsmethoden gezielt die Bereiche vor, in denen Unsicherheit herrscht: Marktveränderungen, Trendbrüche, sozialer Wandel, disruptive Technologien. Hier steckt das Potenzial für erfolgreiche Innovation. Doch um es zu heben reicht es eben nicht aus, einen gut bestückten Werkzeugkasten mit Methoden zu besitzen. Es braucht eine Kultur, die mit den Werkzeugen umgehen kann.

Richtig Fehler machen – eine Kurzanleitung

Wenn wir schon Fehler machen müssen, um innovativ zu sein, dann sollten wir auch wissen, wie man richtig Fehler macht. Ein offener und ehrlicher Umgang mit Fehlern ist dafür unumgänglich. Meine Erfahrung zeigt übrigens, dass eine positive Fehlerkultur nicht nur Innovationsteams beflügelt sondern durchaus eine Vorbildfunktion für das Unternehmen insgesamt haben kann. Es lohnt sich also, Fehler aus einem ganz anderen Blickwinkel zu betrachten. Besonders wenn es um Innovation geht, braucht es einen Freiraum, in dem Fehler machen nicht nur erlaubt sondern erwünscht ist. Dabei sollte man allerdings diese fünf Punkte beherzigen:

Fehler zugestehen: Klingt einfach, ist aber der schwierigste Punkt. Nur wer Fehler als Teil der Wirklichkeit anerkennt, kann lernen, mit ihnen umzugehen. Handeln Sie danach. Nicht nur im Team.

Vorbild sein: Als Teamleiter erfüllen Sie eine Vorbildfunktion. Nur wenn Sie einen ehrlichen Umgang mit Fehlern vorleben, kann es zum Kulturwandel kommen. Stehen Sie zu Ihren Fehlern. Und reden Sie drüber.

Experimente wagen: Innovationsteams sind dafür da, Dinge auszuprobieren. Unterbrechen Sie keine laufenden Experimente auch wenn Sie der Meinung sind, dass sie in eine falsche Richtung laufen.

Aus Fehlern lernen: Über Fehler wird sehr schnell hinweg gegangen. Begreifen Sie Fehler als Lernanlässe, gehen Sie (vermeintlichen) Irrtümern nach und beleuchten Sie sie von verschiedenen Seiten. Es lohnt sich.

Erfahrbar machen: Spielen Sie mit Fehlern. Probieren Sie aus, unter welchen Bedingungen Irrtümer zu Erfolgen werden. Gerade, wenn es um Kreativität und Ideenentwicklung geht entstehen die besten Lösungen meistens aus Fehlern.

Sie haben Fragen zu positiver Fehlerkultur und Innovationsfähigkeit? Dann fragen Sie: innovation@tim-volkmann.com